Project Description
Kerstin Held (46)
„Jedes Kind hat das Recht auf eine Familie“
Kinder mit schwerem Handicap brauchen kein Heim, sagt Kerstin Held – sondern eine Familie. Selbst hat sie schon 12 Mädchen und Jungen aufgenommen und kämpft dafür, dass alle betroffenen Kinder Liebe und Geborgenheit finden
Lustige Bilder von Mickey Mouse und Peter Pan an den Wänden, Trampolin und Nestschaukel im Garten: Wer Kerstin Held im niedersächsischen Ovelgönne besucht, erkennt sofort – hier sollen Kinder glücklich sein. Dass das nicht selbstverständlich ist, offenbart der zweite Blick in die Kinderzimmer. Kabel lugen aus den Betten, Überwachungsmonitore stehen daneben, teils auch Sauerstoff-Tanks. Einer sieht aus wie das Krümelmonster aus der „Sesamstraße“. Kerstin sagt: „Die Kinder sollen es schön haben, sich sicher fühlen.“
Dafür sorgt die 46-Jährige jeden Tag und jede Nacht. Zurzeit lebt sie mit vier Pflegekindern unter einem Dach. Erst 25 Jahre ist die gebürtige Dortmunderin, als sie ihren ersten Schützling aufnimmt – und schon pflegeerfahren. Ihre zwei Jahre jüngere Schwester Silke hatte Muskelschwund, saß im Rollstuhl. „Ich bin damit aufgewachsen, ständig alarmbereit zu sein, Verantwortung für das Leben eines Menschen zu tragen.“ Im Alter von 15 wird Kerstins Schwester von einem betrunkenen Autofahrer überfahren und stirbt.
Kerstin betreut mit der Zeit 12 Kinder. Ihre Familie führt sie wie ein kleines Unternehmen mit mehreren Pflegekräften an ihrer Seite – weil ihre Kinder 24-Stunden-Betreuung brauchen und auch Kerstin mal schlafen muss. Jonathan (4), Max (7), Richard (9) und Cora (17) gehören heute zu ihr. Die anderen sind inzwischen erwachsen, ausgezogen oder leben nicht mehr.
Bis auf Jonathan kamen alle Kinder mit Alkohol- oder Drogenschäden zur Welt. Richard in der Badewanne eines Bordells – er hatte 2,4 Promille im Blut. Wie viele Kinder mit dem Fetalen Alkoholsyndrom ist er kleinwüchsig, geistig behindert und dazu Autist. Er braucht eine Sauerstoffhilfe, trägt eine Magensonde. Traurig? Kerstin sieht lieber seine Fortschritte: „Menschen mit Autismus sollen wenig empathisch sein, aber Richard spürt, wenn ich keinen guten Moment habe. Dann nimmt er mich in den Arm. Nähe und Liebe versetzen Berge.“
Auch Jonathan sei so ein besonderes Kind. „Er hat seine Lebenserwartung längst übertroffen“, sagt Kerstin, den Blondschopf im Arm. Er war ein gesundes Baby, hatte dann einen Atemstillstand, als seine Mutter kurz duschen war. Ein Hirnschaden war die Folge, er kann nicht sprechen, wird über eine Sonde ernährt. Doch der tapfere kleine Kerl lächelt viel – besonders, wenn Kerstin bei ihm ist. Auch die leibliche Mutter besucht ihn. „Ich habe Verständnis für Mütter, die sagen, ich schaffe es nicht mit meinem Kind.“ Sie selbst schaffe es, weil es für sie alltäglich sei. „Und es müsste noch viel mehr Familien geben wie unsere“, fordert sie, „denn alle Kinder gehören in die Mitte unserer Gesellschaft.“
Dass behinderte Kinder das Recht auf eine Pflegefamilie bekommen, dafür kämpft Kerstin Held seit 12 Jahren im Vorstand des „Bundesverbandes behinderter Pflegekinder e.V.“, seit 2014 als Vorsitzende. Kerstin Held – eine, die ihren Nachnamen zu Recht trägt.
Stand 2022
bbPflegekinder
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